Seit gut 14 Monaten befindet sich der Globus weitgehend im Ausnahmezustand. Weltweit wurden die Gesundheitssysteme und Behörden auf die Probe gestellt, und nicht selten haben falsche politische Entscheidungen zum sprunghaften Anstieg der Fallzahlen geführt. Mit über 163 Millionen Infizierten liegt Covid-19 mittlerweile bei etwa einem Drittel der Infektionszahlen der Spanischen Grippe, die zwischen 1918 und 1920 in vier Infektionswellen etwa 30% (500 Millionen Menschen) der damaligen Weltbevölkerung infizierte und davon 50 Millionen das Leben kostete.
Glücklicherweise ist Covid-19 nicht derart tödlich wie seinerzeit das H1N1-Influenzavirus. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum wir heute deutlich optimistischer in das zweite Jahr der Pandemie schauen können als unsere Urgroßeltern dies vor 100 Jahren tun konnten. Medizin und Biotechnologie haben gewaltige Sprünge gemacht und sind heute auf einem Stand, den sich Medizin und Wissenschaft vor einem Jahrhundert nicht ansatzweise vorstellen konnten. Auch die Digitalisierung von Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen hat unsere individuelle Arbeitsgeschwindigkeit und -qualität enorm gesteigert.
In der heutigen Zeit hat das Virus durch die höhere Bevölkerungsdichte und den viel häufigeren internationalen Reiseverkehr günstigere Ausgangsbedingungen vorgefunden, aber die Möglichkeiten der schnellen Erkennung und bessere Infektionsschutzmaßnahmen wie Partikelfiltermasken konnten die Ausbreitung des Virus noch in einem überschaubaren Rahmen halten.
Die größten Hoffnungen sind jedoch Impfstoffe, die wir dank neuer Technologie in enormer Geschwindigkeit entwickeln und testen konnten. Angesichts der gewaltigen technischen Fortschritte ist es schon fast verwunderlich, dass sich Covid-19 überhaupt so weit ausbreiten konnte. Teilweise liegt dies sicher an einem gesellschaftlichen Unwillen, die Arbeits- und Freizeitgestaltung schnell den neuen Umständen anzupassen und radikale Änderungen vorzunehmen. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier – eine Eigenschaft, für die vor allem ältere Menschen teilweise einen hohen Preis gezahlt haben. Auf der anderen Seite hat uns die Pandemie auch auf Schwachstellen in unserem Gesundheitssystem hingewiesen. Deutsche Gesundheitsämter waren vor allem zu Beginn der ersten Erkrankungswelle nicht gut auf den Umgang mit Infizierten vorbereitet. Auf Corona-Stationen in Krankenhäusern kam es immer wieder zur Infektion von Pflegekräften durch Patienten und damit zu Versorgungsengpässen.
Die Lehren der Pandemie werden uns noch lange zu denken geben, aber Covid-19 ist auch eine Chance. Es wird bis auf absehbare Zeit immer neue Infektionskrankheiten geben, von denen manche das Potential haben, eine weltweite Gesundheitskrise auszulösen. Wenn wir lernen, unsere Gesetze anzupassen, gesellschaftliche Akzeptanz für Einschränkungen zu fördern und die Infrastruktur des Gesundheitssystems zu modernisieren, werden wir zukünftigen Pandemien deutlich mehr entgegensetzen können.