Keine Angst vor der Börse

September 2022, Autor: Barbara Fuchs

Yann Bastard

In Zeiten niedriger Zinsen und hoher Inflation suchen deutsche Sparer nach neuen Geldanlagemöglichkeiten, die zumindest eine kleine Rendite abwerfen. Allzu ausgefallene Wege müssen sie dazu nicht beschreiten – dafür aber deutlich mutiger werden.

Eine Million US-Dollar – so teuer werde ein Bitcoin im Jahr im Jahr 2030 sein. Das prognostizierte Cathie Wood, Ökonomin, Investorin und CEO der Investmentgesellschaft Ark Invest, noch zu Beginn dieses Jahres. Allein war sie mit ihrer Prognose nicht. Auch Tesla-Boss Elon Musk oder Rapper Kool Savas outeten sich in den vergangenen Jahren als Bitcoin-Fans. Und auch zahlreichen jungen Privatanlegern galt die Kryptowährung neben anderen Coins lange als heiliger Gral der modernen Geldanlage. Unabhängig von der Old Economy und den Mächtigen, von Staaten und Regulierung sollte die digitale Währung sein – und gleichzeitig sicher vor Wertverfall, da Bitcoin nicht unendlich vermehrbar sei. Maximal 21 Millionen Coins können geschaffen werden, dann ist Schluss. Die vergangenen Monate zeigten jedoch: Vor Kurseinbrüchen und massiven Verlusten ist auch der Bitcoin nicht sicher. Von knapp 60.000 US-Dollar Ende vergangenen Jahres fiel der Kurs um 70 Prozent auf unter 20.000 US-Dollar. Der Kryptowinter hat den Traum vom schnellen Reichtum vieler junger Anleger je zerplatzen lassen. Nichtsdestotrotz glauben noch immer viele an eine Erholung und den Erfolg des digitalen Coins. Andere hingegen sind skeptisch: Investmentlegende Warre Buffett erklärte jüngst, er würde sämtliche Bitcoins der Welt nicht einmal für 25 US-Dollar kaufen.

 

In werteschaffende Wirtschaft investieren

 

„Bitcoin ist eine Alternative zum Lottospielen, aber keine Geldanlage“, meint auch Andreas Beck, Mathematiker und Portfoliomanager. Der Grund: Geld komme nur durch neue Anleger ins System. „Und wenn die nicht mehr kommen, fällt der Bitcoin in sich zusammen wie ein Schneeballsystem“, so der Mathematiker. Denn dem Coin selbst liege kein realer Wert zugrunde, dahinter stünde keine Industrie, die etwas produziert und damit Werte erschafft. In genau diese werteerschaffende Wirtschaft gelte es aber zu investieren, erklärt Beck: „Geld vermehrt sich nicht von selbst, es muss Teil des Wirtschaftskreislaufs werden. Nur wer der Wirtschaft sein Geld in Form von Eigenkapital zur Verfügung stellt, wird an den Gewinnen der Unternehmen beteiligt und erzielt somit eine einträgliche Rendite.“

 

Konkret bedeutet das: Sparer müssen den Schritt an die Börse wagen, wollen sie ihr Vermögen erhalten und langfristig sogar mehren. „Es ist sehr schade, dass so viele disziplinierte Menschen langfristig Geld zurücklegen, damit aber keine Rendite erzielen“, ärgert sich Beck. Der Grund: Sparer, die auf Zinsprodukte der Bank setzen, haben zwar die Sicherheit, ihren Einsatz zu einem festen Zeitpunkt zurückzubekommen. Diese Sicherheit bezahlen sie aber mit der Rendite, denn Zinsen oberhalb der Inflation wird es auch in Zukunft wohl nicht geben. „Wirklich attraktive Erträge bringen nur Beteiligungen an Unternehmen“, weiß Beck. Im Schnitt seien am Kapitalmarkt Renditen von fünf bis sieben Prozent pro Jahr zu erzielen. „Langfristig bedeutet das eine Verdopplung des Vermögens alle zehn Jahre“, rechnet Beck vor.

 

Statt eines Portfolios aus ausgesuchten Einzelaktien empfiehlt der Investmentprofi eine breit gestreute Anlage in Etf – Fonds also, die Aktienindizes nachbilden. „Wer einen Etf auf den MSCI World kauft, investiert in 1600 Unternehmen rund um den Globus. Da ist es fast ausgeschlossen, alles zu verlieren“, erklärt Beck. Mischen Anleger dann noch einen Etf auf Schwellenländer sowie einem auf Small Caps, also kleine Unternehmen dazu, sind sie wirklich breit aufgestellt. Weiteres Plus der Etf: Sie sind meist zu Gebühren von weit unter einem Prozent zu haben – die Rendite wird also nicht durch übermäßige Kosten geschmälert, wie es bei vielen aktiv gemanagten Fonds der Fall ist.

 

Kursschwankungen tolerieren

 

Klar ist allerdings: Auch Aktien, Fonds und Etf schwanken im Preis. Kursrückschläge, wie sie im aktuellen Bärenmarkt zu beobachten sind, sind an der Börse keine Seltenheit. Langfristig orientierte und breit investierte Anleger wissen aber: Solche Kursrücksetzer sind nach einigen Jahren wieder aufgeholt und machen sich über Jahrzehnte kaum noch bemerkbar. Und: Wer bei Kursrückgängen kauft, bekommt mehr für sein Geld.

Quelle: MSCI Inc.

Trotzdem müssen gerade Börsenneulinge solche Kursschwankungen erst einmal verkraften lernen. „Wer an der Börse investiert, sollte Kursrückgänge von bis zu 50 Prozent aushalten können“, erklärt Niels Nauhauser, der als Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Sparer zu Geldanlagemöglichkeiten berät. Von einem Börseninvestment abraten möchte Nauhauser aber nicht – im Gegenteil: „Kein Risiko bedeutet keine Rendite. Einen risikolosen Zins, der die Inflation ausgleicht, gibt es nicht.“ Statt sein Vermögen in Spareinlagen zu parken, gelte es, das Geld über verschiedene Anlageklassen so zu streuen, dass die Anlage den eigenen Risikoeinstellungen entspricht und Anleger auch in schwierigen Börsenzeiten rational bleiben und ruhig schlafen können. Dazu empfiehlt Nauhauser einen Mix aus weltweit angelegten Etf und festverzinslichen Wertpapieren beziehungsweise Spareinlagen. „Haben Anleger dann gelernt, mit Kursschwankungen umzugehen, können sie auch größere Teile ihres Vermögens am Aktienmarkt investieren.“

 

Helfen kann dabei auch der Faktor Dividende. Denn gerade am Anfang einer Investorenkarriere in eigener Sache kann es unglaublich motivierend sein, wenn regelmäßig Erträge aus dem Vermögen generiert und auf das eigene Konto ausgezahlt werden. Das geht auch mit Etf. Spezielle Dividenden-Etf investieren in dividendenstarke Unternehmen und schütten in der Regel einmal im Quartal aus. Aber Achtung: Anleger müssen sich die Investitionskriterien der Etf genau angucken. Denn Produkte, die ausschließlich die Dividendenrendite in den Fokus stellen, sind oft nicht nachhaltig ertragsstark. Besser ist es, auf die Ausschüttungsqualität und -kontinuität zu achten.

 

Doch egal ob ausschüttender Dividenden-Etf oder reinvestierender Etf auf den MSCI World oder den FSTE All World – wichtig für Verbraucherschützer Nauhauser ist aber vor allem, dass Anleger lernen, ihr Vermögen selbstbestimmt zu verwalten. Vorsicht sei geboten bei Beratern, die ihren Informationsvorteil dazu nutzen, die provisionsreichsten Produkte zu verkaufen oder das Geld der Anleger für teilweise horrenden Honorare und monatliche Servicepauschalen in einfache Etf stecken. Und auch Versicherungspolicen auf Etf hält Nauhauser aufgrund der Verwaltungs- und Abschlussgebühren für zu teuer. „Das Schöne an Etf ist ja, dass Anleger damit ihr Geld breit gestreut zu niedrigen Kosten am Aktienmarkt anlegen können. Da brauchen sie keine teuren Konstrukte, das können sie selbst verwalten.“

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