COVID-19: Wer profitiert von einer dritten Impfung?

November 2021, Autor: Dr. Tobias Schneider

Yann Bastard

Nach zwei Impfungen gegen COVID-19 gilt man allgemein als vollständig geimpft und darf nach den 2G-Regeln wieder am öffentlichen Leben teilnehmen. Noch vor einem Jahr, als die ersten Impfstoffe noch in der Entwicklungs- und Studienphase waren, lautete die Hoffnung: Wir warten auf die Impfstoffe, impfen die gesamte Bevölkerung, und danach ist COVID kein Thema mehr.

Leider scheitert diese Idee an zwei Hauptproblemen. Das erste ist die Impfquote. Obwohl mehr als genug Impfstoff verfügbar ist, liegt der vollständig geimpfte Anteil der Erwachsenen zwischen 18-59 Jahren aktuell bei etwa 71%, bei Älteren in der Gruppe 60+ bei ca. 85%. Rechnet man die Kinder hinzu, liegt die Gesamtimpfquote in Deutschland nur bei etwas über 65%. Für eine wirksame Herdenimmunität ist das jedoch nicht genug. Hierzu sollte die Gesamtimpfquote bei mindestens 85% liegen.

Das zweite Problem ist COVID selbst. Obwohl der Anteil der ungeimpften Patienten auf deutschen Intensivstationen bei über 90% liegt, findet man dort auch vollständig geimpfte Patienten. Das heißt, dass auch ein vollständiger Impfschutz das Risiko einer Neuinfektion mit anschließendem schwerem Verlauf nicht gänzlich ausschließt. Diese Impfdurchbrüche werden hauptsächlich bei sehr alten oder immungeschwächten Patienten beobachtet, werden aber auch immer häufiger bei sonst gesunden Patienten festgestellt.

Das liegt auch an der stärkeren Verbreitung der Delta-Variante des Virus. Die Impfstoffe wurden eigentlich gegen den COVID-Wildtyp (dem ursprünglichen Erreger, der erstmals in Wuhan beschrieben wurde) entwickelt. Obwohl die Impfstoffe mit der Zeit verändert werden sollen, um die neuen Varianten besser abzudecken, sind diese noch nicht auf dem Markt. Die ursprünglichen Impfstoffe schützen zwar auch gegen Delta, die Wirksamkeit ist aber geringer. Hinzu kommt, dass sich der Impfschutz auch bei guter Immunantwort nach einiger Zeit natürlicherweise verringert. Das nicht nur bei COVID so, sondern auch bei anderen Infektionskrankheiten wie Beispiel bei Hepatitis-B. 6 Monate nach einer Infektion haben nur noch 88% der Menschen nachweisebare Antikörper gegen COVID im Blut. Das heißt zwar nicht, dass die restlichen 12% gänzlich ungeschützt sind, aber die Gefahr einer erneuten Infektion steigt. Außerdem gibt es wie bei allen Impfungen sogenannte Low- und Non-Responder. Das sind Menschen, die trotz zweifacher Impfung nicht genügend – oder keine – Antikörper für einen ausreichenden Schutz gegen eine Krankheit aufbauen. All diese Faktoren sorgen dafür, dass das Virus weiterhin gute Chancen hat, viele Menschen zu infizieren.

Die dritte Impfung – unverzichtbar oder nur in Sonderfällen?

Um den allgemeinen Impfschutz in der Bevölkerung zu verbessern und die Risikogruppen noch besser zu schützen, gibt es bereits seit einigen Monaten das Angebot einer Auffrischungsimpfung (manchmal auch Booster-Impfung genannt). Dazu gab es bis vor kurzem noch keine Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO), diese zog jedoch im Oktober nach und sprach sich für eine Auffrischungsimpfung für alle über 70-Jährigen, Immungeschwächte aller Altersgruppen und für Pflegepersonal aus.

Wer profitiert von einer dritten Impfung?

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Es wäre möglich, dass sich diese Empfehlung auch auf weitere Bevölkerungsgruppen ausweitet. Da in Deutschland die meisten Impfungen in den Monaten März bis Juni verabreicht wurden, werden Millionen Deutsche die 6-Monatsmarke seit der Zweitimpfung im Winter überschreiten. Ähnliche Diskussionen finden aktuell auch in anderen Ländern statt.

Israel hat die Drittimpfung sogar zur Pflicht erklärt. Dort galt vorher wie Hierzulande: Wer zweimal geimpft ist, gilt auf unbestimmte Zeit als immunisiert. Jetzt verfällt die Gültigkeit des israelischen Impfnachweises 6 Monate nach der Zweitimpfung, und die dritte Impfung ist dort der neue „Goldstandard“ für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Ob sich diese Regelung auch in Deutschland durchsetzen wird, bleibt abzuwarten, ist aber sicherlich von der Entwicklung der Infektionszahlen im Winter und dem Aufkommen neuer Virusmutationen abhängig.

Brauche ich eine Auffrischungsimpfung?

Vor allem für ältere Menschen und Immungeschwächte ist eine Auffrischungsimpfung sicherlich sinnvoll, um die eigene Gesundheit zu schützen. Für Personen mit normaler Immunfunktion ist das Risiko einer weiteren Infektion mit anschließendem schweren Verlauf nach der Zweitimpfung sehr gering, sodass eine Auffrischungsimpfung nach 6 Monaten nur wenig Nutzen mit sich bringt. Hier kann aber aus Gründen des Schutzes von Angehörigen eine Auffrischungsimpfung interessant sein. Das Angebot einer Auffrischungsimpfung in Deutschland aktuell nur für:
• Personen in Pflegeeinrichtungen
• Personen mit einer Immunschwäche
• Personen mit pflegebedürftigen Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit
• Personen ab 60 Jahren

Aktuell ist nur bei dem Impfstoff von Pfizer & Biontech die Auffrischungsimpfung von der EMA empfohlen, eine Ausweitung dieser Empfehlung auf den Moderna-Impfstoff in den nächsten Wochen ist allerdings wahrscheinlich und wird bereits praktiziert. Laut Zahlen des RKI haben in Deutschland bereits etwa eine Million Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Impfen ist die Zukunft

Zuletzt noch eine schlechte Nachricht für alle Impfmuffel. In Zukunft wird die Zahl der verfügbaren Impfungen für Krankheiten weiter ansteigen. So gibt es weltweit verschiedene Organisationen, die etwa an Impfungen bei Krebserkrankungen forschen. Dabei soll das Immunsystem trainiert werden, um die entarteten Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Wie lange es noch dauert, bis wir Krebs auf diese Art bekämpfen können, steht jedoch noch in den Sternen.

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