Den Nachlass sinnvoll einsetzen

September 2021, Autor: Birgit Pfaff

James Clapham

Spendenorganisationen sind willkommene Empfänger für das Erbe. Doch was passiert mit dem Geld, und haben die Angehörigen eine Kontrollmöglichkeit?

„Geben ist seliger denn nehmen“, so lautet ein Bibelspruch aus dem neuen Testament. Daraus ist eine häufig genutzte Redensart entstanden, die zu Großzügigkeit aufruft und dem Egoismus die Schranken weist. Und tatsächlich stellen wir immer wieder fest, dass Schenken glücklich macht – nicht nur die Beschenkten, sondern im Besonderen auch die Gebenden. Dieses Gefühl potenziert sich, wenn es sich dabei um einen guten Zweck handelt. Anderen Menschen zu helfen, rückt die eigenen Probleme in den Hintergrund. Es löst Freude aus, Geld zu teilen und für etwas wirklich Sinnvolles einzusetzen. Das schafft Nähe und Verbundenheit und stillt eines unserer Urbedürfnisse.

Aus diesem Grund entscheiden sich viele Menschen bereits zu Lebzeiten dazu, ihren Nachlass ganz oder teilweise einer wohltätigen Organisation zu spenden. Doch um das Erbe sinnvoll einzusetzen, sind verschiedene Schritte notwendig. Schließlich soll das Ersparte an die richtige Stelle gelangen. Es stellt sich zudem die Frage, wie Spendenorganisationen das Geld einsetzen und ob Angehörige ein Mitspracherecht haben. Zugleich zeichnet sich eine Trendwende bei der neuen Generation ab: Wird Teilen ein Bestandteil des Lebens? Und welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit dabei? Dieser Beitrag zeigt Beispiele, wie junge Reiche heutzutage mit ihrem Vermögen umgehen.

Was sind NGOs und welche Zwecke verfolgen sie?

Wer sein Vermögen nach dem Tod einem guten Zweck zur Verfügung stellen möchte, findet in Spendenorganisationen würdige Verwerter. Meist handelt es sich dabei um privat geführte karikative Verbände, Stiftungen oder Non-Profit-Unternehmen, die kein öffentliches Mandat besitzen. Diese Nichtregierungsorganisationen (NRO) oder besser bekannt unter der englischen Abkürzung NGO (für Non-Governmental Organization) engagieren sich überwiegend gesundheits-, sozial- oder umweltpolitisch sowie auf technologischer Ebene. Zu den weltweit bekanntesten Hilfsorganisationen zählen Amnesty International, Greenpeace oder der Word Wildlife Fund. Sie finanzieren sich größtenteils über Spenden oder Sammlungen.

Wird eine gemeinnützige Organisation zum Erben eingesetzt, ist sie automatisch Rechtsnachfolger des Spenders. Sie übernimmt neben dem Vermögen alle Rechte und Pflichten sowie unter Umständen auch vorhandene Schulden. In der gesetzlichen Erbreihenfolge für den Nachlass stehen Blutsverwandte oder Lebenspartner ganz oben. Sind diese nicht vorhanden, fallen die Hinterlassenschaften dem Staat zu. Soll stattdessen eine Stiftung erben, lässt sich die gesetzliche Folge nur durch ein Testament oder einen Erbvertrag umgehen. Generell einfacher ist es, wenn es sich um ein Vermächtnis handelt. Dann wird ein im Testament definierter Geldbetrag, eine Immobilie oder eine Lebensversicherung vermacht. Das Erbe bezieht sich in diesem Fall nur darauf. Ganz gleich ob Erbschaft oder Vermächtnis: Gemeinnützige Organisationen sind von Erbschafts- oder Schenkungssteuer befreit.

Den Nachlass sinnvoll einsetzen

Jana Sabeth


Medienberichten zufolge werden in Deutschland Jahr für Jahr etwa 85 Milliarden Euro an NGOs verschenkt oder vererbt. Was mit den Spenden im Detail passiert, ist abhängig von Sinn und Zweck der Organisation und in deren Statuten festgehalten. Nachlassspender sollten sich das Regelwerk vor dem Vertragsabschluss genau anschauen, um zu prüfen, ob die Mittel im gedachten Sinne eingesetzt werden.

Sind Verfügungen oder Kontrollen der Nachlassverwendung möglich?

Bei einem testamentarisch festgehaltenem Vermächtnis müssen die Erben dafür Sorge tragen, dass die Spende an die Organisation weitergegeben wird. Liegt eine Teilerbschaft oder Zustiftung vor, übernimmt der Testamentsverwalter die Verteilung des Vermögens. Im Falle einer Gesamterbschaft erfüllt die Organisation den letzten Willen des Nachlassspenders sowie dessen Rechte und Pflichten. Dabei kann der Spender üblicherweise im Testament festhalten, wofür genau sein Vermächtnis eingesetzt werden soll. Spendet er zum Beispiel an die Vereinigung der SOS-Kinderdörfer, kann seine Zuwendung ausschließlich einer bestimmten Einrichtung zugutekommen.
Ist es vom Spender gewünscht, kann über das Testament oder den Schenkungsvertrag ebenfalls eine Kontrollfunktion durch die Angehörigen oder die Nachlassverwaltung verfügt werden. Nicht immer lässt sich eine solche Regelung jedoch mit der Verbandssatzung vereinbaren oder ist schlichtweg unmöglich. Damit es im Erbschaftsfall nicht zu Verzögerungen oder Rechtsstreitigkeiten kommt, empfiehlt es sich, dies vorab zu prüfen. Viele Organisationen bieten Broschüren an oder laden zu Info-Veranstaltungen ein, die Auskunft über die rechtlichen und formellen Rahmenbedingungen geben.

Was sind die Gründe und Ziele einer Nachlass-Spende?

Die Gründe, warum sich immer mehr Menschen dazu entschließen, ihren Nachlass zu spenden, sind vielfältig. Viele haben sich bereits zu Lebzeiten in einer Vereinigung engagiert und setzen diese aus Verbundenheit als Erben ein. Es ist ihnen eine Herzensangelegenheit. Andere möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben oder die Zukunftsaussichten der nachfolgenden Generation verbessern. Ein weiterer höchstaktueller Anreiz besteht darin, sich auch postum für mehr Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung oder Klima- und Umweltschutz einzusetzen.

Die Ziele der Nachlassgebenden sind ebenso vielschichtig: Sie möchten etwa als Förderer im Gedächtnis bleiben oder etwas Bleibendes erschaffen und erhalten. Es verschafft ihnen überdies die Möglichkeit, die Werte, für die sie zu Lebzeiten eingestanden sind, nach dem Tod weiter unterstützen. Das Gleiche gilt in ähnlicher Weise für Erben, die den Nachlass ihrer verstorbenen Angehörigen in deren Sinne für gute Zwecke spenden.

Wie können Spender sicher stellen, dass das Ersparte auch richtig ankommt?

Ganz gleich ob Kirche und Religion, Behindertenhilfe, Kinder in Not, Flüchtlingshilfe oder Umwelt- und Tierschutz – allein in Deutschland gibt es mehr als 600 eingetragene Spendenorganisationen. Aus dieser Fülle einen individuellen Empfänger auszuwählen, ist keine leichte Aufgabe. Hilfreich bei der Einordnung sind die Spendensiegel der Prüfungseinrichtungen, welche die Hilfsorganisationen jährlich bewerten. Für Deutschland übernehmen diese Aufgabe zum Beispiel das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) oder das Beratungshaus PHINEO.
Um die Siegel zu erhalten, müssen die Hilfsorganisationen verschiedene Kriterien wie zweckgerichtete und sachliche Spendenwerbung, wirtschaftliche Verwendung der Spendengelder oder eine funktionierende Struktur nachweisen. Dadurch stellen die Institute eine wichtige Säule der Spendenberatung und des Verbraucherschutzes dar. Denn nur Unternehmen, die sich durch Transparenz, Seriosität und Kontinuität auszeichnen, erhalten die Siegel.

Übersicht der wichtigsten Dachverbände in Deutschland:
• DZI: Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (www.dzi.de)
• PHINEO: Gemeinnütziges Analyse- und Beratungshaus für wirkungsvolles Engagement (www.phineo.org)
• DSR: Deutscher Spendenrat (www.spendenrat.de)
• VENRO: Verband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (www.venro.org)
• ITZ: Initiative Transparente Zivilgesellschaft (www.transparency.de)

Tipp: Auf den Webseiten dieser Institutionen finden Sie detaillierte Informationen zu den dort gelisteten Spendengremien.

Die jungen Reichen und ihr Verständnis vom Teilen

Während Nachlassspenden überwiegend ein Thema der älteren Gesellschaft ist, zeichnet sich bei der jüngeren Generation eine Trendwende ab. Gemeint sind hier insbesondere Gründer schnell wachsender Startups, die den Wert des Reichwerdens mit ihrem Verständnis vom Teilen bereits zu Lebzeiten ganz neu definieren. Unter anderem gehen sie der Frage nach, wie viel Einfluss wohl jeder Dollar hätte, der gespendet wird.

Ein Beispiel hierfür ist der US-Amerikaner Sam Bankman-Fried. Der 29-Jährige hat den Krypto-Boom ausgenutzt und scheinbar aus dem Nichts ein Vermögen aufgebaut, das rund 10 Milliarden Dollar wert ist. Seine 2017 gegründete Online-Börse FTX bietet Kauf und Verkauf von Kryptowährungen. Täglich verdient er bis zu 25 Millionen US-Dollar mit seinem Unternehmen. Sein zweiteiliger Plan zum Vermögensaufbau: Alle Mittel aufwenden, um eine enorme Menge Geld zu erwirtschaften und alles weggeben, was nicht zum Leben gebraucht wird.

Also spendete Bankman-Fried Ende 2020 fünf Millionen Dollar an das Wahlkampfbüro von Joe Biden, weil er sich nach allgemeiner Stabilität im Land sehnte. Und sein Plan ging auf. Biden drehte mit diesem Geld einen aufwendigen Wahlkampfspot und wurde 46. Präsident der Vereinigten Staaten.

Ähnliche Ziele verfolgt Benjamin Todd, Gründer der gemeinnützigen Organisation »80.000 Hours«. Das Non-Profit-Unternehmen stellt Geldmittel für die Forschung bereit und unterstützt engagierte Menschen dabei, ihre Berufe zu wechseln. Sie sollen die Grundlage erhalten, die dringlichsten Probleme der Welt effektiv anzugehen. Nachhaltige Projekte, wie der Kampf gegen den Klimawandel oder der schonende Umgang mit knappen Ressourcen werden dabei priorisiert behandelt.

Das 2011 gegründete britische Startup errechnet, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens etwa 80.000 Arbeitsstunden für seine berufliche Karriere aufbringt. Das entspricht 40 Jahre zu je 50 Wochen mal 40 Stunden. Kern der Förderung ist es, insbesondere jungen Menschen bei der Wahl zu helfen, wie sie ihre 80.000 Stunden bestmöglich einsetzen können. Bis Juli 2021 hat das inzwischen 16-köpfige Team mehr als eintausend Berufseinsteiger persönlich beraten. Die Organisation finanziert sich durch Einzelspenden sowie über philanthropische Stiftungen.

Was tun mit dem Erbe: spenden, ausgeben oder anlegen?

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus 2017 werden in Deutschland bis 2027 pro Jahr etwa 400 Milliarden Euro vererbt. Somit ist Erben eigentlich keine Seltenheit, jeder dritte Erwachsene hat schon einmal geerbt. Doch viele Nachfolger stellen sich die Frage, wohin mit dem Geld oder wie umgehen mit der Immobilie der Großeltern.

Möglichkeiten gibt es viele, der Nachlass kann gespendet werden, er lässt sich einfach ausgeben oder gewinnbringend anlegen. Die DWS-Vermögensverwalter raten dringend davon ab, das verfügbare Kapital auf Tagesgeldkonto oder Girokonto zu belassen. Zinserträge sind so gut wie nicht mehr vorhanden. Dazu können sogar Negativzinsen kommen und die Inflation zehrt nach und nach alles auf.

Warum also nicht den Wert des Vermögens erhalten und auf gewinnbringende Aktien- oder Mischfonds setzen? Auch bei der Investition in grüne Energien werden rasante Anstiege erwartet. Auf diese Weise kann das Erbe im Sinne des Verstorbenen noch lange Freude bereiten oder unter Umständen später doch noch verlustfrei einer Spendenorganisation zugutekommen.

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