Die Pharmawirtschaft

Juni 2021, Autor: Dr. Gerhard Pappert

Ann-Sophie deSteur

Manchmal kontrovers diskutiert und doch absolut systemrelevant: Die Pharmabranche genießt häufig eine Menge Aufmerksamkeit – und das zurecht.
Wie wichtig die Branche für uns ist, merken vor allem kranke Menschen, für die ein normales Leben ohne Medikamente unmöglich wäre und deren Lebensqualität maßgeblich von Pharmaka profitiert. In jüngster Zeit sind einige Pharmavertreter besonders durch die Entwicklung der Corona-Impfstoffe in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.

 

Für die deutschen Industriestandorte spielt die Pharmabranche eine wichtige Rolle. Dies gilt vor allem für traditionsreiche Standorte in vielen westdeutschen Bundesländern. Die forschenden Pharmaunternehmen sind in ein Netzwerk aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eingebunden und tragen so maßgeblich zum Wohlstand des Landes bei. Zu den bekanntesten Vertretern gehören beispielsweise Bayer, Boehringer Ingelheim und Merck. Mit über 47 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 140.000 Mitarbeitern gehört die Pharmaindustrie zu den größten Wirtschaftszweigen Deutschlands. Wie in anderen Branchen sind aber noch andere Industrien von der Pharmaindustrie abhängig.

Ein wichtiger Partner der Pharmaindustrie ist dabei die klassische chemische Industrie, die relativ einfach aufgebaute Grundstoffe, die für die Produktion komplexer Pharmaka erforderlich sind, zur Verfügung stellt – beispielsweise Säuren und organische Verbindungen auf Mineralölbasis. Neben der Chemie kooperieren Pharmaunternehmen mit der Verpackungsmittelindustrie, die vor allem bei Medikamentenverpackungen besondere Anforderungen erfüllen muss und selbst innovativ wird. Auch die IT-Branche profitiert von der Pharmaindustrie, da die Digitalisierung der Pharmabranche einen hohen Bedarf an Software hat. Nicht nur administrative Prozesse können hier durch digitale Helfer optimiert werden, sondern auch technische Abläufe und Software für Forschung und Entwicklung. Laut dem DIGITAL Report 2018, der die Digitalisierung in verschiedenen deutschen Branchen verglich, lag die Pharmaindustrie auf Platz 5 hinter dem Handel und Finanzdienstleistern. Das zeigt, dass es auch bei der Digitalisierung in Pharmaunternehmen noch ungenutztes Potential gibt.

 

Pharmakologische Forschung und Entwicklung

 

Die Pharmaindustrie ist eine der forschungsintensivsten Branchen weltweit. In Deutschland flossen im Jahr 2018 allein 13,2% des Umsatzes (6,2 Milliarden Euro) in die Forschung. In Relation zum Umsatz investiert die Pharmaindustrie damit mehr als Automobilindustrie, Luftfahrt und Maschinenbau in die Entwicklung neuer Produkte. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Entwicklung neuer Medikamente gilt finanziell als besonders riskant. Es kommt nicht selten vor, dass die Entwicklung eines neuen Arzneistoffes, die bis dahin schon über 100 Millionen Euro verschlungen hat, in der letzten Phase der klinischen Studien abgebrochen wird, weil unerwartete Nebenwirkungen auftreten. Die Entwicklung hat in diesem Fall zwar neue wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht, der finanzielle Gewinn für das Unternehmen liegt jedoch bei Null.

 

Forschung und Entwicklung Medizin

Louis Reed

 

Den Standort Deutschland attraktiv halten

 

Wie in einigen anderen Branchen ist auch in der Pharmaindustrie die Abwanderung ins Ausland und der resultierende Verlust von lokalen Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen ein Thema. Dabei können vor allem in der Pharmaindustrie restriktive Regelungen bei Forschung und Entwicklung ein Grund für die Verlagerung von Arbeitsplätzen sein. Ein prominentes Beispiel ist die Stammzellenforschung, einer der vielversprechendsten Zweige der medizinischen und pharmakologischen Forschung. Die deutschen Gesetze gehören jedoch zu den restriktivsten in Europa. Nur in Polen, Litauen und der Slowakei ist hier noch weniger erlaubt. Will ein Unternehmen in diesem Bereich forschen, ist es dazu gezwungen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

 

Beim Thema klinische Studien gibt Deutschland insgesamt kein schlechtes Bild ab, allerdings zeigen sich auch Nachteile, wenn ein Pharmaunternehmen in Deutschland eine klinische Studie durchführen will. So kommt es bei der Genehmigung von Studien, die bestimmte Untersuchungsmethoden erfordern, regelmäßig zu langen Wartezeiten von bis zu 13 Monaten, was wohl in der deutschen Bürokratie begründet liegt. Viele Unternehmen hatten es unter diesen bisherigen Bedingungen aufgegeben, an solchen Studien deutsche Kliniken und Praxen zu beteiligen, bis die Regelung 2019 geändert wurde.

 

Um das Hochsteuer- und Hochlohnland Deutschland für forschende Pharmaunternehmen als lohnenswerten Standort zu erhalten, kann die Politik und der Verwaltungsapparat noch an einigen Stellen nachbessern. Auch die Akzeptanz von Arzneiforschung und neuen Medikamenten in der Bevölkerung spielt eine Rolle bei der Entscheidung für einen Standort. Dabei schneiden unter anderem die USA oder auch fernöstliche Staaten wie Singapur besser ab als Deutschland.

 

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