Krebs – Fortschritte bei Diagnose und Therapie

Juni 2022, Autor: Dr. Gerhard Pappert

National Cancer Institute

Krebs ist neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Im Jahr 2020 starben hierzulande mehr als 231.000 Menschen an den Folgen einer Krebserkrankung, das waren rund 23 % aller Sterbefälle in diesem Jahr. [1] Krebs ist damit einer der Hauptfaktoren für die Sterblichkeit in Deutschland und belastet als Volkskrankheit das Gesundheitssystem stark. Die Belastung ist auch deshalb so hoch, weil Krebspatienten oft eine besonders intensive Betreuung benötigen.

Krebs gehört zu den typischen Alterskrankheiten, die aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung immer häufiger auftreten. Krebs ist jedoch keine einzelne Krankheit, sondern ein Krankheitsbild, das auf zellulärer Ebene durch viele verschiedene Mechanismen verursacht wird. Dies ist auch einer der Gründe, warum Krebs so schwierig zu behandeln ist.
Zu den häufigsten Krebsarten gehören bösartige Tumore von Drüsen, insbesondere wenn diese unter dem Einfluss von Sexualhormonen stehen. So ist Prostatakrebs die häufigste Krebsart bei Männern, ähnlich wie Brustkrebs bei Frauen. Tatsächlich macht Brustkrebs etwa 30 % aller Krebsneuerkrankungen bei Frauen aus und ist auch die Krebsart, die für die meisten Todesfälle verantwortlich ist. [2]  
 

Den Krebs besser kennenlernen

Aufgrund der hohen Relevanz von Krebs wird von öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen viel Geld investiert, um die Krebsforschung voranzutreiben. Dabei geht es vor allem um die Behandlung, aber auch um die Diagnose von Krebs. Bei der Diagnose geht es nicht nur darum, dass Ärzte feststellen können, ob sich Krebszellen gebildet haben oder nicht, sondern auch darum, um welche Art von Krebs es sich handelt, denn Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Jeder Krebs hat seine eigenen charakteristischen Mutationen, die im Zusammenspiel mit dem Immunsystem zu individuellen Symptomen führen. Genau genommen können sich sogar zwei Zellen desselben Tumors deutlich voneinander unterscheiden, weil sie zur Mutation neigen. Tumore können im Laufe der Zeit sogar eine Art Evolution durchlaufen und dadurch noch gefährlicher werden. Das gilt auch für alle anderen Krebsarten, wie Lungen- oder Darmkrebs.

Das genaue Mutationsmuster ist nicht mehr nur von akademischem Interesse. Anhand der Mutationen lässt sich zum Beispiel vorhersagen, wie aggressiv der Tumor wachsen wird und welche Medikamente für eine Chemotherapie in Frage kommen. Mit diesen Informationen lassen sich Therapien anpassen und damit die Heilungschancen verbessern. Alles, was man dazu braucht, sind eine Gewebeprobe und geeignete Untersuchungsmethoden.

Eine solche Behandlung gehört zum Konzept der personalisierten Medizin.  Dieses Konzept beruht darauf, dass individuelle Faktoren wie Geschlecht, Alter und Genetik berücksichtigt werden, um die wirksamste Therapie auszuwählen. Aber auch die verfügbaren Therapien haben sich ständig verbessert.

 

Gewaltiger Therapiefortschritt in den letzten 25 Jahren

Bis zur Einführung der ersten wirksamen Chemotherapeutika Mitte der 1950er Jahre war die Operation die einzige Behandlungsmöglichkeit für Krebs. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch die Strahlentherapie zum ersten Mal eingesetzt. In den folgenden Jahrzehnten wurden beide Konzepte ständig weiterentwickelt. Die Chemotherapeutika wurden immer gezielter eingesetzt. Während die ersten Vertreter immer auch den gesamten Organismus schädigten, greifen moderne Varianten immer spezifischere Strukturen der Krebszellen an. In den 1970er Jahren wurde die Anti-Hormontherapie eingeführt, 1998 wurde der erste Antikörper zugelassen, 2011 der erste Immun-Checkpoint-Inhibitor – Meilensteine in der Krebstherapie. In den letzten 100 Jahren haben sich natürlich auch die chirurgischen Methoden stetig verbessert, so dass Krebspatienten heute deutlich bessere Überlebenschancen haben als in der Vergangenheit. Im Jahr 1980 beispielsweise lag die 5-Jahres-Überlebensrate (d. h. der Anteil der Patienten, die fünf Jahre nach ihrer Krebsdiagnose noch am Leben waren) im Durchschnitt etwa 20-30 % unter den heutigen Werten. Bei einigen Krebsarten ist diese Zahl sogar sehr stark gestiegen, z. B. Lymphomen von 50 % auf über 75 %. [3]

 

Fazit: Wird Krebs nun heilbar?

Die Philosophie der medizinischen Versorgung, bei der Patienten mit der gleichen Krankheit auch auf die gleiche Weise behandelt werden, gehört zunehmend der Vergangenheit an. Die Personalisierung und Verbesserung von Behandlungsmethoden werden deren Wirksamkeit deutlich erhöhen. Die Behandlung von Krebs ist ein prominentes, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel für eine solche Entwicklung.

Leider bedeutet dies nicht, dass alle Krebsarten mit diesem Ansatz geheilt werden können. Es wird weiterhin wichtig sein, Krebs so früh wie möglich zu erkennen, um Schäden zu begrenzen und möglichst lange von einer wirksamen Therapie zu profitieren. Auch präventive Maßnahmen werden bis auf weiteres nicht an Bedeutung verlieren.

 

[1]
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html

[2]
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2021/kid_2021_c00_97_krebs_gesamt.pdf;jsessionid=05A74FC0AE895AF4889FC89F944624CA.internet101?__blob=publicationFile

[3]
http://www.lebenswege-forum.de/krebsinfo/artikel/archiv/2015/maerz/krebsnachrichten/5-jahres-ueberlebensrate-bei-krebs-steigt-an.html

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