Volkskrankheiten: Was sind die gefährlichsten Auswirkungen, und wie schütze ich mich?

November 2021, Autor: Dr. Tobias Schneider

Yann Bastard

Volkskrankheiten sind die Geißel des Gesundheitssystems. Sie schränken die Lebensqualität von Millionen Menschen ein und verursachen gewaltige Kosten. Allein die Behandlung der Folgen von Übergewicht kostet uns Deutsche gut 63 Milliarden EUR pro Jahr. Übersetzt heißt das: Wenn jeder Deutsche Idealgewicht hätte, könnten alle Bundesbürger (Kinder und Rentner eingeschlossen) 750 € pro Jahr als Geschenk von den Krankenkassen bekommen, und diese hätten am Ende sogar noch ein paar Euro übrig.

Zu den Volkskrankheiten, die am weitesten verbreitet sind, gehören Bluthochdruck (ca. 35 % der deutschen Bevölkerung), Arthrose (18%), koronare Herzerkrankungen (8%), Diabetes mellitus Typ 2 (5,5 %) und Osteoporose (5%). Ein gemeinsames Merkmal dieser Krankheiten (mit Ausnahme der Osteoporose) ist, dass sie durch Übergewicht begünstigt werden.

Fast die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen gelten in Deutschland als übergewichtig (BMI zwischen 25 kg/m2 und 30 kg/m2), zusätzlich sind bei beiden Geschlechtern rund ein Fünftel der Menschen stark übergewichtig (BMI > 30 kg/m2). Insgesamt bringen damit 50 Millionen Deutsche zu viel auf die Waage. Wie stark der Einfluss des Gewichts auf die Entstehung anderer Krankheiten beeinflusst, ist erschreckend. Übergewichtige haben ein fast dreimal höheres Risiko Diabetes zu entwickeln; bei stark Übergewichtigen ist das Risiko über sieben Mal so hoch. Ähnlich ist es bei Bluthochdruck und Arthrose. Sogar die Entstehung von Krebs wird durch Übergewicht gefördert.

 

Auch psychische Erkrankungen nehmen zu

Zu den Volkskrankheiten werden manchmal auch die psychischen Erkrankungen gezählt. Zusammengezählt haben diese ebenfalls eine sehr hohe Verbreitung in der Bevölkerung. Etwa 28% der erwachsenen Bevölkerung leiden mindestens einmal pro Jahr an einer psychischen Störung. Am häufigsten sind dabei die Angststörungen, aber auch Depressionen und Burnout werden immer häufiger.

 

Lebensstil ist beste Prävention

Der Hauptgrund dafür, dass sich diese Krankheiten der Moderne so stark durchsetzen, ist unser Umfeld, an das sich unser evolutionär geprägtes Gehirn noch nicht angepasst hat. Geringe körperliche Belastung und die hochkalorische Nahrung führen zu Übergewicht, hohen Blutfetten und einer hohen Belastung des Organismus mit Zucker, was sich langfristig in Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes äußert. Auch der ein hoher Blutdruck wird durch die gleichen Faktoren gefördert. Künstliches Licht, übermäßiger Konsum von legalen und illegalen Drogen und ein Mangel an Kontakt mit der Natur (vor allem im Kindesalter) können ebenfalls Auslöser von verbreiteten Krankheiten wie Asthma sein.

 

Wie kann ich mich schützen?

Das tückische an Übergewicht, Bluthochdruck und Co. ist, dass sie durch Komfort und Nahrung ausgelöst werden – Dinge, die uns eigentlich guttun, im Übermaß jedoch zu lautlosen Killern werden. Die Entwicklung ist zudem so schleichend, dass man selbst überhaupt nur schwer etwas davon mitbekommt. Sobald sich die ersten Symptome zeigen, ist der Spaß aber schnell vorbei. Eingeschränkte Lebensqualität und lange Krankenhausaufenthalte sind meist die Folge, die man sich im Nachhinein lieber erspart hätte.

Um sich auf breiter Front gegen die Volkskrankheiten aufzustellen und möglichst lange Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten, ist eigentlich nicht viel nötig. Der Schlüssel sind Sport, gesunde Ernährung, erholsamer Schlaf und Stressreduktion, also alles Dinge, die uns Gesundheitsexperten seit Jahrzehnten predigen. Das ist den meisten Menschen auch bewusst, aber die Umsetzung bleibt dennoch aus. Interessanterweise ist Vieles eine Frage der Gewohnheiten. Wer regelmäßig Sport treibt, gewöhnt sich daran und muss keinerlei mentale Energie mehr aufbringen, um sich auf den Weg ins Fitnessstudio zu machen. Das gleiche gilt für viele andere gesundheitsfördernde Routinen. Der Anfang ist schwer, doch es wird mit der Zeit immer leichter.

 

Schützen kann man sich außerdem mit regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim Hausarzt. Dabei können schleichende Veränderungen erkannt und frühzeitig behandelt werden. Ein gutes Beispiel ist der Bluthochdruck. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder fünfte Deutsche mit zu hohem Blutdruck bisher keine Diagnose erhalten hat. Dabei können auch junge, normalgewichtige und sonst gesunde Junge Menschen zu hohe Blutdruckwerte haben. Das Risiko steigt aber mit jedem Pfund und jeder Zigarette.

 

Betroffene seltener Erkrankungen haben weniger Optionen

Es gibt aber auch einen Vorteil daran, an einer Volkskrankheit zu leiden: Die gute Datenlage zu den Therapieoptionen und die Vielzahl an verfügbaren Medikamenten. Allein für die Behandlung von Bluthochdruck gibt es aktuell fünf häufig eingesetzte Wirkstoffklassen und einige Reservemedikamente. Die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Wirkstoffe sind unter den am besten dokumentierten in der gesamten Pharmakologie. So wurde z. B. in etlichen Studien belegt, dass ACE-Hemmer (eine der fünf Wirkstoffklassen) die Lebenserwartung und Lebensqualität erhöhen. Bei selteneren Erkrankungen gibt es häufig wenige, in manchen Fällen auch gar keine Medikamente. Das liegt zum einen an der geringeren Zahl von Erkrankten, was die Erforschung generell erschwert, aber auch an dem geringeren finanziellen Anreiz für Unternehmen, ein Medikament zu entwickeln, dass am Ende nur wenige Menschen benötigen. Die Behandlung Volkskrankheiten ist einfacher, aber Prävention ist einer Behandlung sicherlich vorzuziehen.

Weitere Beiträge

Erschienen in