Was kann die Biotechnologie heute leisten?

Juni 2021, Autor: Dr. Gerhard Pappert

Ann-Sophie deSteur

Kaum jemand kann sich ausmalen, wie die Coronakrise noch schlimmer sein könnte. Fakt ist jedoch: Wäre der Virus vor einigen Jahrzehnten ausgebrochen, wären unsere Probleme noch deutlich größer. Wir profitieren vom technischen Fortschritt in der Biotechnologie.

Biotechnologie – Helfer in der Pandemie

Seit gut einem Jahr ist der Corona-Lockdown das bestimmende öffentliche Thema. Kaum jemand kann sich an derart umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens erinnern. Der Lockdown schadet unserer Wirtschaft, unseren sozialen Kontakten und unserer Psyche, daher ist die Hoffnung auf ein Ende der Krise groß. Auch wenn der Missmut über die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in der Bevölkerung wächst, hält ein Großteil der Bundesbürger die Corona-Maßnahmen für angemessen oder sogar nicht hart genug.

Quelle Statista

 

Die Entwicklung der Fallzahlen und die Ausbreitung der ansteckenderen Mutanten lassen jedoch nur einen Schluss zu: Ohne Impfstoffe lässt sich die Pandemie nicht aufhalten. Erfreulicherweise wurden Covid-19-Impfstoffe in atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt. Von der ersten Idee bis zum fertigen Impfstoff dauert es meist mehrere Jahre, meist sogar Jahrzehnte. So dauerte es bei der Impfung gegen Rotaviren und gegen HPV etwa 15 Jahre vom Beginn der Impfstoffentwicklung bis zur Zulassung durch die Behörden. Wie kann es also sein, dass der Covid-19-Impfstoff in weniger als nur einem Jahr fertiggestellt werden konnte?

 

Gründe für die schnelle Impfstoffentwicklung

 

Die Biotechnologie allgemein und die Impfstoffentwicklung im Speziellen haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Bei den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna handelt es sich zum Beispiel um mRNA Impfstoffe, deren Grundlagen erst in den 1990er Jahren entwickelt wurden und die bis vor der aktuellen Pandemie praktisch keine Rolle spielten. Ein Vorteil der mRNA-Technologie ist die vergleichsweise schnelle, synthetische Herstellung des eigentlich aktiven Impfstoffes. Aus diesem Grund sind die beiden mRNA-Impfstoffe auch die ersten, die in Europa und in den USA zugelassen wurden.

 

Kurz darauf folgte der Impfstoff von AstraZeneca, der nicht zu den mRNA-Impfstoffen zählt, sondern (wie auch der in Russland bereits im August letzten Jahres zugelassene Impfstoff Sputnik V und das noch nicht zugelassene Präparat von Johnson & Johnson) zu den Vektorimpfstoffen gehört. Genau wie die mRNA-Impfstoffe sind diese ebenfalls eine relativ neue Entwicklung innerhalb der Biotechnologie und wurden vormals nur bei der Entwicklung des Ebola-Impfstoffes 2014 und bei der Bekämpfung des Dengue-Fiebers verwendet. Bei diesen Impfstoffen wird ein harmloser Virus verwendet, der keine Krankheit auslöst, um Gene des eigentlich krankmachenden Virus (hier also SARS-CoV-2) in den Körper einzuschleusen. Da es sich nur um Teile und nicht das gesamte Genom des SARS-Virus handelt, kann es nicht zu einer COVID-Infektion kommen. Gegen die eingebrachten Teile des Virus kann der Körper aber eine Immunantwort bilden und eine echte Infektion später besser bekämpfen.

 

Vektorimpfstoffe haben zudem den Vorteil, dass die harmlosen Viren auch als Plattform für eine Reihe weiterer Krankheitserreger dienen können. Um einen anderen Impfstoff herzustellen, muss lediglich das Genmaterial im Inneren des Virus ausgetauscht werden. So konnte der Impfstoff von AstraZeneca fast so schnell wie die mRNA-Impfstoffe zugelassen werden.

 

Biotechnologie Reagenzgläser

Bill Oxford

 

Neben den Fortschritten in der Biotechnologie wurde die Impfstoffentwicklung natürlich auch durch massiven politischen Druck beschleunigt. Sobald die ersten Lockdowns außerhalb Chinas in Kraft traten und sich das Virus immer weiter ausbreitete, war für alle Unternehmen, die eine Chance im Rennen um den Wirkstoff hatten, klar, dass sich hier eine historisch einmalige Gelegenheit bot. Die Impfstoffentwicklung wurde aus diesem Grund massiv priorisiert. Sputnik V wurde in Russland so früh zugelassen, weil die sonst üblichen Phase-III-Studien, die zur Erkennung von Nebenwirkungen dienen, einfach übersprungen wurden.

 

Ein weiterer Grund für die schnellere Entwicklung der neuen Impfstoffe ist die generelle Beschleunigung von Prozessen durch die Digitalisierung. Heute wird fast jeder Bereich eines Unternehmens durch digitale Technologie unterstützt. Besonders für wissenschaftliche Arbeit ist das schnelle Sammeln und Versenden von Daten sowie der Zugang zu großen Datenmengen über das Internet ein wahrer Segen. Zudem können Unternehmen in der Biotechnologie auf eine Vielzahl von Robotern für unterschiedlichste Zwecke zurückgreifen, z. B. zum Pipettieren oder zum Reinigen von Virusproteinen. Neben diesen Vorteilen, die spezifisch für die Biotechnologiebranche sind, profitieren Unternehmen allgemein von digitalen Anwendungen, etwa zum Zweck der Verwaltung.

 

Die schnelle Entwicklung und Anpassung von Impfstoffen lassen uns neue Hoffnung schöpfen. Und im Kampf gegen neue Mutationen, die auch Geimpfte potentiell erneut infizieren können, ist die schnelle Produktion von Impfstoffvarianten ein Schlüssel zur Gewährleistung der Herdenimmunität.

 

 

 

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