Wie kann Deutschland die Digitalisierung besser gestalten?

November 2021, Autor: Dr. Gerhard Pappert

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Auf die neue Regierungskoalition kommt eine Herkulesaufgabe zu: Deutschland zu digitalisieren. Welche Bereiche haben im Generationenthema Priorität, und wo können wir uns ein Beispiel nehmen?

Die Corona-Krise hat es deutlich gemacht: Deutschland hat beim Thema Digitalisierung Nachholbedarf. Das betrifft insbesondere die öffentliche Verwaltung und die digitale Bildung. Zwar können wir in einigen Bereichen Fortschritte aufweisen, wie zum Beispiel beim voranschreitenden Breitbandausbau, doch liegt in anderen Sparten noch vieles im Argen. Dazu zählt der Fachkräftemangel in der Informationstechnik (IT) oder eine vollumfängliche Datenverwaltung. Um im digitalen Wettstreit zukünftig besser mit anderen Nationen konkurrieren zu können, muss Deutschland kräftig zulegen. Im internationalen Vergleich steht unser Land aktuell nur auf Platz 18 unter 64 Ländern – drei Plätze schlechter als noch 2015.

Dies ergibt der IMD Digital Competitiveness Index 2021, dem Daten und Erhebungen aus 2020 zugrunde liegen. Der Punkt Wissen wird auf Platz 14 eingestuft, Zukunftsorientierung landet auf Position 18 und Technologie sogar nur auf dem 31. Rang. In der Gesamtwertung führt die USA vor Hongkong und Schweden.

Vorbild Estland

In puncto Digitalisierung kann Deutschland sogar noch von einem kleinen Staat wie Estland lernen. Das EU-Land im nördlichen Baltikum zählt gerade einmal 1,3 Millionen Einwohner – etwa so viel wie Mecklenburg-Vorpommern. In wenigen Jahrzehnten hat sich „Estonia“ vom ehemaligen Teil der Sowjetunion zu einer der fortschrittlichsten Gesellschaften der Welt entwickelt. Bereits 2000 startete Estland mehrere Digitalinitiativen wie die ID-Card – eine Bürgerkarte, die zugleich Ausweis, Führerschein und Versichertenkarte ist.

Rund 3000 verschiedene Dienstleistungen, aufgeteilt in Behörden und privatwirtschaftliche Unternehmen, lassen sich bequem von zu Hause aus erledigen. Künftig sollen sogar Sozialleistungen komplett automatisiert erfolgen, etwa die Beantragung von Kindergeld oder die Anmeldung bei der Krankenversicherung.

Die E-Verwaltung in Deutschland bis Ende 2022?

In Deutschland sind solche Entwicklungen weiterhin Zukunftsmusik, obwohl das Online-Zugangsgesetz bereits vor Jahren auf den Weg gebracht wurde. Digitale Dienstleistungen wie die Kfz-Ummeldung oder die Beantragung des Elterngeldes sind über das Verwaltungsportal des Bundes zwar bereits möglich, jedoch ist das Ausfüllen der Anträge kompliziert und lässt sich noch nicht papierlos durchführen.

Für die Vereinfachung der Prozesse fehlt es insbesondere an Fachkräften. Um die Digitalisierung in deutschen Verwaltungen voranzutreiben, erwog Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (2018-2021) im Frühjahr 2021 sogar, „das beste digitale Team Estlands“ einzufliegen. Dazu ist allerdings eine IT-Konsolidierung der Bundesverwaltung erforderlich. Alle Behörden müssen mit leistungsstarken und schnellen Systemen arbeiten, über Sicherheitsserver digital vernetzt und die Dienste vereinheitlicht werden. Bis Ende 2022 sollen Melderegister, Handelsregister und Gesundheitsdaten digitalisiert sein.

Die Zukunft der Digitalisierung in Deutschland

Auf dem Weg in ein digitales Deutschland gilt es Experten zufolge großes Augenmerk zu legen auf die für uns so wichtige Industrie 4.0 – der elektronischen Vernetzung von Maschinen – die hierzulande noch in den Kinderschuhen läuft steckt. Über die digitalen Zwillinge der Unternehmen werden die in der Produktion erfassten Datenmassen analysiert und veranschaulicht. Dort stehen sie für unterschiedlichste Anforderungen zur Verfügung und stellen das digitale Gedächtnis unserer industriellen Welt dar.

Um dieses „Big Data“ global zugänglich zu machen, bedarf es einer leistungsfähigen und flexiblen Cloud-Anbindung zur Speicherung. Dazu ist wiederum ein schnelles und mobiles Internet erforderlich, das durch die 5G-Technologie sichergestellt werden kann. Die Verwaltung aller Komponenten erfolgt durch intelligente Blockchain-Systeme, welche die Kommunikation zwischen den Maschinen übernehmen. Künstliche Intelligenz (KI) ist schließlich der Schlüssel zur Weiterentwicklung der vernetzten Systeme.
 

Cloud Computing

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Darüber hinaus gilt es, die digitale Infrastruktur so rasch wie möglich weiter auszubauen. Die Investition in digitale Bildung ist ein weiterer entscheidender Punkt. Das betrifft gleichermaßen die Bereitstellung von Endgeräten wie die Schulung von Lehrkräften. Die E-Verwaltung und damit einhergehend die Reduktion der Bürokratie, stellen weitere Spielfelder dar. Das alles erfordert einen erhöhten Fokus auf Cyber-Sicherheit. Zur Umsetzung aller Maßnahmen ist schließlich eine Förderung von IKT-Fachkräften erforderlich.

GAIA-X: Ein wichtiger Schritt zur Datensouveränität

Mit „GAIA-X“ schufen Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine leistungs- und wettbewerbsfähige Dateninfrastruktur für Europa auf internationaler Ebene. Sie bietet gleichermaßen Unternehmen wie Nutzern die Möglichkeit, Daten zu sammeln und miteinander zu teilen. Gaia-X ist ein vernetztes System, das viele Cloud-Anbieter integriert – für jeden Anspruch die passende Struktur.

Fazit: Die Digitalisierung als „Herzensangelegenheit“ der Politik

Schon Ende 2019 erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (2005 bis 2021), dass ein größeres Tempo bei der Digitalisierung für sie „eine Herzensangelegenheit“ istsei. Deutschland sei zwar ein etwas träges Land geworden, doch es stünden tiefgreifende Veränderungen bevor. Diese muss nun die neue Bundesregierung umsetzen – ganz sicher eine Herkulesaufgabe!

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