Wie Telemonitoring die Gesundheitsversorgung verbessern kann

Juni 2022, Autor: Dr. Tobias Schneider

Yann Bastard

Die Auswirkungen des im Oktober 2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetzes sind bisher sehr überschaubar. Mit dem Gesetz sollen über 4 Milliarden Euro für mehr Notfallkapazitäten und die Digitalisierung der Krankenhäuser bereitgestellt werden. Nur ein Bruchteil der zur Verfügung stehenden Mittel wurde bisher bewilligt, die Antragsfrist lief bis Ende 2021. Das Gesetz wurde zum einen wegen der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems durch die damals noch junge Pandemie Covid 19 und zum anderen wegen des immer dringlicheren Modernisierungsdrucks erlassen.

Bereits Ende 2018 kam die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie “Digital Health Index” zu dem Ergebnis, dass Deutschland im Vergleich zu 17 anderen entwickelten Ländern zu den schwächsten Nationen in Sachen digitaler Gesundheitsinfrastruktur gehört. Dass sich dies langfristig negativ auf die Qualität der Versorgung in Deutschland auswirken muss, steht außer Frage. Viele digitale Gesundheitstechnologien eröffnen jedoch neue Möglichkeiten für Ärzte und Patienten. Ein Beispiel ist das Telemonitoring.

Was ist Telemonitoring?

Telemonitoring ist ein neuer Teilbereich der Telemedizin, der auf der Fernübertragung und Echtzeitauswertung von Vitaldaten beruht. Dies können z. B. Blutdruck, Gewicht oder Körperkerntemperatur sein. Dazu wird der Patient mit entsprechenden Messgeräten ausgestattet, die vorzugsweise automatisch Daten aufzeichnen. Der Arzt hat aus der Ferne Zugriff auf die Messdaten, kann sie überall in Echtzeit überwachen und den Patienten dann über einen beliebigen Kanal, z. B. über eine Kurznachricht auf ein privates Handy, über die Bedeutung seiner Werte informieren und medizinische Maßnahmen anordnen.

Telemonitoring eignet sich besonders gut für die Prävention chronischer Krankheiten und für Notfälle, vor allem bei alleinlebenden Menschen. Ein mögliches Beispiel: Ein älterer Herr mit bekannten Herzproblemen trägt ein Messarmband, das regelmäßig Blutdruck und Herzfrequenz misst und die Daten an die Hausarztpraxis übermittelt. Das Messgerät registriert nun einen deutlich unregelmäßigen Herzschlag, der zum Beispiel auf einen Herzinfarkt hinweist. Ein Algorithmus erkennt dies und löst einen Alarm in der Arztpraxis aus, die sich sofort mit dem Patienten in Verbindung setzt. Wenn der Patient nicht erreicht werden kann, wird der Rettungsdienst alarmiert.

Telemonitoring

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Auch wenn kein akuter Notfall vorliegt, könnte ein Arzt in bestimmten Abständen die Entwicklung der Vitalwerte seiner Patienten überprüfen. Hat sich zum Beispiel der Blutdruck eines Patienten in den letzten Monaten bedenklich erhöht, könnte der Arzt einen Termin vereinbaren, um die Ursache zu ermitteln. Eine solche gefährliche Entwicklung wäre sonst wahrscheinlich unentdeckt geblieben.

Wo wird Telemonitoring bereits eingesetzt?

In Deutschland gibt es noch nicht sehr viele Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Telemonitoring. Eine positive Ausnahme ist das von einer großen gesetzlichen Krankenkasse angebotene Programm Cordiva+, das sich an Menschen mit Herzinsuffizienz richtet. Die Teilnehmer des Programms erhalten ein Blutdruckmessgerät, eine telemetrische Waage und ein Tablet, das als Tagebuch und Informationsquelle dient. Ähnliche Programme werden bundesweit sporadisch angeboten, aber das Telemonitoring bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz wurde erst Anfang 2022 in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen, der eine bundesweit einheitliche Abrechnung von Leistungen durch Vertragsärzte ermöglicht.

Das Telemonitoring ergänzt perfekt eine andere Entwicklung, die in unserem Gesundheitssystem zu lange auf sich warten ließ: die digitale Patientenakte (ePA). Sie ermöglicht eine viel bessere Vernetzung zwischen Krankenhäusern und Ärzten und bietet mehr Transparenz für die Patienten. Diese ist zwar seit Anfang 2021 grundsätzlich verfügbar, muss aber von den Versicherten selbst beantragt und geführt werden. Dies hat erwartungsgemäß dazu geführt, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Deutschen diese Möglichkeit nutzt. Ende 2021 besaßen nur 0,5 Prozent der Befragten einer Studie tatsächlich eine ePA, obwohl das Interesse eigentlich hoch gewesen wäre. [1] Die neue Bundesregierung scheint jedoch eine Regelung im Sinn zu haben, bei der ein aktiver Widerspruch (Opt-out) erforderlich ist, um keine elektronische Patientenakte zu erhalten.

 

Wie wird sich das Krankenhauszukunftsgesetzt auswirken?

Die Auswirkungen werden erst in den nächsten Jahren sichtbar werden, wenn das Geld in konkrete Ergebnisse umgesetzt ist. Damit der Prozess danach nicht ins Stocken gerät, ist vor allem die Politik gefordert, weitere sinnvolle Investitionskonzepte zu entwickeln. Auch Organisationen wie die Ärztekammern müssen die Telemedizin zum Beispiel in ihren Fortbildungsprogrammen stärker berücksichtigen, um eine höhere Akzeptanz bei den Ärzten zu schaffen. Je früher das Thema in den Fokus rückt, desto eher können wir alle davon profitieren.

 

[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Drei-Viertel-wollen-elektronische-Patientenakte

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